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Text und Rahmen

Die drei Teilprojekte Produktion und Rezeption des Psalters, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Der Faust-Stoff und seine Medialisierungen, Klassik Stiftung Weimar, und Klassik im Insel-Verlag ca. 19001930, Deutsches Literaturarchiv Marbach, bildeten zusammen das Forschungsprojekt Text und Rahmen: Präsentationsmodi kanonischer Werke. Die ausführenden Forscher*innen waren Ursula Kundert, Valentina Sebastiani, Carsten Rohde und Philip Ajouri.

Die Bibel, der Faust, die Klassiker: Was macht sie eigentlich kanonisch? Wie kommt es dazu, dass sie immer wieder gelesen werden? Das ist keineswegs selbstverständlich. Die Texte müssen sich laufend neuen Leser*innen-Erwartungen und historischen Gegebenheiten anpassen, müssen deswegen bearbeitet oder neu gerahmt werden. Wie werden aber Texte immer wieder für zukünftige Generationen attraktiv? Das Projekt vermutete, dass die Sinnenfälligkeit eine entscheidende Rolle spielt und dass dazu sowohl die berührbare und sichtbare Materialität der Bücher gehört als auch deren Präsentation in Worten, Gesten und Gesang. Zur Analyse und Präsentation dieser sinnlichen Dimensionen eigneten sich die digitalen Möglichkeiten des Verbundes hervorragend. Die Sammlungen der drei Häuser enthalten gleichsam erstarrte Kanones und stellen das historisch ausgreifende Untersuchungsmaterial zur Verfügung, das für diese Fragestellung nötig ist. Die Projektgruppe machte es sich zur Aufgabe, die Kanon-Konjunkturen, ihre medialen Bedingungen und Beschränkungen zu untersuchen und damit eine Sammlungs-Kritik im aufklärerischen Sinne zu leisten.

Produktion und Rezeption des Psalters, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

Als weit verbreiteter und genutzter kanonischer Text des Christentums gehörte der Psalter zu den ersten Werken, die mit Gutenbergs Typendruckverfahren vervielfältigt wurden. Seine Druckauflagen nahmen stetig zu, insbesondere während und nach den explosiven Jahren der Reformation. Aufgrund der Bedeutung, die der Psalter für die Geschichte und Gestaltung der Christlichen Liturgie spielt, gibt es sehr viel Forschungsliteratur zum Thema. Mit den methodischen und epistemologischen Konzepten, wie sie die Paratext-Forschung und Buchgeschichte in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, untersuchte das Projekt die semantischen und materiellen Schnittstellen zwischen Text und Rahmen, wie sie sich anhand von ca. 700 Exemplaren der vielen Auflagen und Nachdrucke des Psalters zeigen, die – gedruckt zwischen 1475 und 1700 – sich heute in der einzigartigen Rara-Sammlung der Herzog August Bibliothek befinden.

Ursula Kundert (2014–2017), Valentina Sebastiani (2017–2018)              

Der Faust-Stoff und seine Medialisierungen, Klassik Stiftung Weimar

Seit seinen Anfängen im 16. Jahrhundert erlebte der Faust-Stoff zahlreiche Bearbeitungen und Fortschreibungen – vor, neben und nach Goethes kanonischer Tragödie von 1790/1832. Text und Rahmen sind dabei auf untrennbare Weise miteinander verbunden: Die im Druck verbreiteten Texte werden begleitet von rahmenden Paratexten, die primär sinnlich-visueller Natur sind: Bucheinband, Druckbild, Illustrationen und andere mehr. Die Liaison von Text und Rahmen geht aber darüber hinaus, sie umfasst ein breites Spektrum von Medialisierungen, die jeweiligen Kontexte, in die die überlieferte Faust-Fabel gestellt ist. Auch literarische Adaptionen, Vertonungen, Theateraufführungen und Verfilmungen, museale Präsentationen, kulturelle und wissenschaftliche Diskurse tragen zum Medienmythos Faust bei. Nur so konnte die Faust-Figur zu einem zentralen role model frühneuzeitlich-moderner Individualitätssemantik werden. Grundlage für die Erarbeitung einer Medialisierungsgeschichte des Faust-Stoffes war die Weimarer Faust-Sammlung, die mit ihren rund 20.000 Objekten ein weltweit einzigartiges Korpus bildet.

Carsten Rohde (2014–2018)

Klassik im Insel-Verlag ca. 19001930, Deutsches Literaturarchiv Marbach

Das Archiv des Insel-Verlags wird im Deutschen Literaturarchiv Marbach aufbewahrt. Ausgehend von diesem kürzlich erworbenen Bestand wird erforscht, welche Funktion Klassiker für die Verlage der Jahrhundertwende und darüber hinaus für die Gesellschaft insgesamt hatten. Die Untersuchung fing bei den Briefwechseln an, die im Vorfeld der Publikation geführt wurden, erstreckte sich auf die Ausstattung der Klassiker-Bände sowie auf die rahmenden Texte der Herausgeber. Schließlich wurden auch Rezeptionszeugnisse (zum Beispiel Buchbesprechungen der Ausgaben), Reden und Essays herangezogen, um die Ergebnisse zu kontextualisieren und so eine historisch angemessene Auffassung des Rahmens zu gewinnen, in den kanonische Texte, zum Beispiel von Kant oder von Goethe, im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gestellt wurden.

Philip Ajouri (2014–2018)