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Bildpolitik in Seide und Spitzen

Wird Bildpolitik eigentlich auch von Frauen betrieben? Kann sich hinter einem Porzellanteint und Wolken von Seidentüll eine klug kalkulierende Porträt-Inszenierung verbergen, die, virtuos ausgeführt, Schönheit, Reichtum und Eleganz bis in bürgerliche Kreise transportiert, um dort politische und dynastische Ansprüche zu untermauern?

Zu solchen Fragen regt die Ende März 2016 in Freiburg im Breisgau zu Ende gegangene Ausstellung „Franz Xaver Winterhalter – Maler ihrer Majestät“ an, die nach ihrer Station im Museum of Fine Arts im texanischen Houston seit heute im Palais de Compiègne bei Paris zu sehen ist. Wer den Künstler kennt und vielleicht sogar die Ausstellung seiner Werke in Paris und London 1988 gesehen hat, wird sich wundern, was den Maler der High Society des 19. Jahrhunderts in die badische Provinz verschlagen hat und wie seine groß dimensionierten Werke auf die wenigen Quadratmeter der Wechselausstellungsräume des Augustinermuseums gelangt sind, das nur über einen kleinen, hauptsächlich grafischen Bestand zu Winterhalter verfügt. Und doch, Freiburg hat einen deutlichen Bezug zum Maler: Nur 50 Kilometer trennen die Breisgau-Metropole von Menzenschwand – Winterhalters Geburtsort in einem abgelegenen Schwarzwaldtal.

Berückend schöne Frauen in spektakulären Roben

Wolkenartige Kreation aus Spitze und Tüll statt traditionelle Galatoilette: Herzogin Alba präsentiert sich in der aktuellen Mode der damaligen Zeit. 


Die Wechselausstellungsflächen des Augustinermuseums im Dach- und Untergeschoss sind gut gefüllt. In den stark farbigen Kompartimenten zwischen den Einstellwänden wurde es auch wegen des regen Besucherzustroms etwas eng. Trotzdem fällt es nicht schwer, sich Stunde um Stunde in den Räumen aufzuhalten. Neben der sehr beeindruckenden Zahl an hochkarätigen Porträtleihgaben sind auch Originalkostüme zu sehen. Außerdem erlauben interaktive Stationen einen niedrigschwelligen Zugang.

Nicht, dass Winterhalters Œuvre schwer vermittelbar wäre. An den Wänden reihen sich berückend schöne Frauen in spektakulären Roben. Idyllische Landschaftshintergründe und lässig elegante Gesten ziehen den Blick an, virtuos gemalte Seidenstoffe, leuchtende Antlitze und zarte Haut fesseln ihn. Keine Frage, Winterhalters Porträts sind ein visueller Hochgenuss!

Von Paris bis Petersburg

Die Qualitäten des Künstlers überzeugten bereits zu Lebzeiten. Nach seiner Italienreise in den 1830er-Jahren erhielt er für seine im Pariser Salon ausgestellten vielfigurigen Genreszenen „Il Dolce Farniente“ (1836) und „Decamerone“ (1837) euphorische Kritiken. Seine besondere Popularität am Hof König Louis-Philippes, dessen Schlösser er mit einer ganzen Porträtgalerie des Hauses Orléans ausstattete, sorgte für derart lukrative Aufträge, dass er sich ab 1839 fast ausschließlich auf die Porträtmalerei konzentrieren konnte. Bald ließen sich nahezu alle europäischen Monarchen und der Hochadel zwischen Paris und Petersburg, Madrid und Warschau von ihm malen.

Ausstellung und Katalog versammeln einen repräsentativen Querschnitt des Winterhalterschen Œuvres und können auch mit einigen seiner bekanntesten Meisterwerke aufwarten. Vermutlich aus Platzgründen fehlt allerdings das Paradestück des Malers, das 295 mal 420 Zentimeter große Gruppenporträt „Kaiserin Eugénie mit ihrem Hofdamen“ (1855), das den engsten Kreis um die Kaiserin einer duftigen Blumenrabatte gleich in frühsommerliche Landschaft versetzt.

Keine neue Perspektive auf Winterhalter

Nicht zuletzt die Bekanntheit dieses Bildes hat zu dem immer noch gängigen abwertenden Urteil beigetragen, dass Winterhalter lediglich ein Frauenmaler gewesen sei: Auf oberflächliche Effekte setzend, meide er psychologische Untiefen, um bloß zu idealisieren, ja zu schmeicheln. Man hätte sich gewünscht, dass die Kuration der Ausstellung und auch der Katalog eine neue Perspektive auf Winterhalter anbieten. Dafür hätte sich die Frage danach, welche Bildpolitik hinter der weiblichen Selbstdarstellung steckt, durchaus geeignet – so zum Beispiel im Fall der Kaiserin Eugénie, die sich ostentativ in historisierenden Roben im Stile ihrer Vorgängerin Marie Antoinette darstellen ließ.

Goldflitter-Kleider und wolkenartige Kreationen

Auch Kaiserin Eugénie von Frankreich wählte für dieses Porträt die Robe eines zeitgenössischen Couturiers. 


Überhaupt regt das Thema Mode, das im Ausstellungsnarrativ so prominent in den Vordergrund gestellt ist, zu spannenden Fragen an, denen auch der Katalog leider nicht weiter nachgeht. So verzichtete das Gros der gekrönten Damen bei den Sitzungen mit Winterhalter auf die Galatoiletten der Hofschneider und ließ sich stattdessen in den Roben des ersten international erfolgreichen Couturiers porträtieren: Charles Frederick Worth.

Statt der traditionellen Ikonografie der Macht mit Hermelinmantel und Familienjuwelen malte Winterhalter zunehmend hochaktuelle Goldflitter-Kleider und wolkenartige Kreationen aus Spitze und Tüll mit pastellfarbenen Seidenbändern. Was verbirgt sich hinter dieser Hinwendung zum vergänglichen Modetrend, der die Grenzen zwischen adliger Repräsentation und dem Pomp bürgerlicher Millionärsgattinnen zumindest aufweicht? Waren die hochadeligen Damen auf Popularität aus? Ist es Strategie, den Verdacht, dass es den Porträtierten an dynastischer Legitimation mangele, durch Luxus zu überstrahlen?

Klug choreografiert und visuell höchst ansprechend

Das große Verdienst der Ausstellung ist es, dass sie aus der ersten Faszination ein Verständnis für die sinnlich luxuriöse Qualität der Bilder zu erwecken vermag. Die Ausstellungsmacher und Katalogautoren bieten dem breiten Publikum eine klug choreografierte, visuell höchst ansprechende Schau. Darüber hinaus regen sie aber auch zu Fragen an, die neue Tendenzen der Porträtforschung berühren.

Wäre es möglich gewesen, auch diese Letzteren zu integrieren, hätte die Ausstellung vielleicht einen neuen Blick auf Winterhalter gewinnen können. Denn womöglich ist hier ein Porträtist zu entdecken, der sensibel auf Herausforderungen und Chancen des politischen und medialen Wandels seiner Zeit reagierte. Das würde dann auch erklären, wie der Sohn eines Harzers aus Menzenschwand zum Intimus der europäischen Hautevolee und zu einem der berühmtesten und bekanntesten Bildnismaler seiner Zeit werden konnte.

Im Palais de Compiègne bei Paris ist die Ausstellung „Franz Xaver Winterhalter. Maler im Auftrag Ihrer Majestät“ vom 17. September 2016 bis 15. Januar 2017 zu sehen. Zuvor wurde sie im Augustinermuseum in Freiburg i. Br. (28. November 2015 bis 20. März 2016) und im Museum of Fine Arts in Houston/Texas (17. April bis 14. August 2016) gezeigt. 

Sophie Tauche ist wissenschaftliche Mitarbeiterin von MWW in Weimar. Zunächst im MWW-Forschungsprojekt „Bildpolitik. Das Autorenporträt als ikonische Autorisierung“ tätig, betreut sie seit Juni 2016 ein Ausstellungsprojekt zu Goethes „Faust“, das MWW in Kooperation mit der Hypo-Kulturstiftung in München realisiert.  

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